Übersicht zu arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen

Diese Zusammenstellung wurde leicht adaptiert aus Arlinghaus et al. (2018)


Arbeit vollzieht sich immer in der Zeit. Damit bestimmt die Arbeitszeitgestaltung einerseits direkt die aus der Arbeit resultierende Belastung und Beanspruchung für die Beschäftigten, andererseits auch die Zeiten, die für Schlaf, Erholung und Freizeit-/ Familienaktivitäten zur Verfügung stehen.

Wer länger arbeitet, ist belastenden Arbeitsbedingungen länger ausgesetzt und hat gleichzeitig weniger Zeit für die Erholung zur Verfügung. Dadurch entsteht die ungünstige Situation, dass die erhöhte Belastung durch lange Arbeitszeiten nicht ausreichend während der Ruhezeit ausgeglichen werden kann und der folgende Arbeitstag bereits mit erhöhter Erschöpfung oder verminderter Leistungsfähigkeit begonnen wird. So kann ein kumulativer Prozess aus Belastung und Erschöpfung entstehen, der mittel- und langfristig zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen kann (Geurts/Sonnentag 2006).

Die Dauer der Arbeitszeit beeinflusst jedoch nicht nur die Schlaf- und Erholungsmöglichkeiten, sondern greift auch direkt in das soziale Leben der Beschäftigten ein. Lange Arbeitszeiten beschränken in der Regel deutlich die Möglichkeiten für Familien- und Freizeitaktivitäten, was in der Folge zu sozialen Beeinträchtigungen und einer schlechten Work-Life Balance führen kann (vgl. Wirtz 2010).

Lange tägliche und wöchentliche Arbeitszeiten stehen im Zusammenhang mit Risiken für die Arbeitssicherheit. Durch die hohe Belastung während eines langen Arbeitstages sowie die meist mangelnden Erholungsmöglichkeiten bei mehreren aufeinanderfolgenden langen Tagen können verminderte Leistungsfähigkeit, Ermüdung und Erschöpfung entstehen. Dies kann wiederum das Risiko für Unfälle und Fehlhandlungen erhöhen. Wie übereinstimmend in diversen Studien gezeigt wurde, erhöht sich das Unfallrisiko überproportional nach der 8./9. Arbeitsstunde am Tag, wobei das Risiko in der 12. Stunde bereits doppelt so hoch ist wie in der 8. Stunde (siehe Abbildung). Dieses Ergebnis konnte kürzlich durch ein Update der Meta-Analyse bestätigt werden (Fischer et al., 2017). Auch für lange wöchentliche Arbeitszeiten wurde ein gesteigertes Unfallrisiko festgestellt, wobei der Trend hier eher linear zu sein scheint und zum Teil durch verkürzten Schlaf bei langen Arbeitszeiten verstärkt wird (Arlinghaus et al. 2012; Dembe et al. 2005).

Im Zusammenhang mit langen wöchentlichen Arbeitszeiten werden zudem sowohl vermehrt Schlafprobleme/Schlafstörungen wie auch Symptome wie Stressempfinden, innere Unruhe, Gereiztheit, Schlafstörungen, Magen-Darm-Beschwerden, Kopfschmerzen).

Quelle: Spencer et al. (2006: 36), Meta-Analyse aus vier internationalen Studien.

Aus Sicht der Arbeitssicherheit und Gesundheit sollten demnach lange tägliche und wöchentliche Arbeitszeiten möglichst vermieden werden. Bei der täglichen Arbeitsdauer erscheinen vor allem sehr lange Tage (>10 Stunden) als besonders riskant, wobei dies in hohem Maße auch von der Tätigkeit (hohe oder niedrige Arbeitsbelastung) sowie von der Häufigkeit der langen Arbeitstage abhängt und pauschale Aussagen schwer möglich sind. 

Hinsichtlich der wöchentlichen Arbeitszeit gibt es keine klare Grenze, ab der die Beschwerden steigen; vielmehr steigen die Beeinträchtigungen bereits ab dem Teilzeitbereich an und erreichen bei über 40 Wochenstunden überdurchschnittliche Werte. Auch hier gibt es zahlreiche zusätzliche Einflussfaktoren wie die Arbeitsbedingungen und die private Situation (z.B. hohe familiäre Belastung), welche die Effekte der Arbeitsdauer steigern oder senken können.


Empfehlungen der Arbeitszeitgesellschaft zu 12-Stunden-Schichten

  • Insbesondere aufgrund des hohen Unfallrisikos und ungeklärter Fragen im Hinblick auf arbeitsbezogene Grenzwerte sollten 12-Std.-Schichten die (absolute) Ausnahme bilden.
  • Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen die Möglichkeit haben, abzulehnen, in einer 12-Std.-Schicht zu arbeiten.
  • In 12-Std.-Schichten sollen entsprechende Anteile an Arbeitsbereitschaftszeiten enthalten sein
    (idR. 30% bzw. 1/3) oder sehr geringe Belastungen vorliegen.
  • Längere Pausen als bei 8h: 60 Minuten und diese sollten nach Belastungsaspekten aufgeteilt und innerhalb der 12 Std. plus kurzer Übergabe liegen.

 

Quellen:

Arbeitszeitgesellschaft, 2016: 12-Stunden-Schichten–Stand der Diskussion.
http://arbeitszeitgesellschaft.wildapricot.org/resources/Documents/4.%20Symposium%20AZ-Gesellschaft/161019%20Thesen%2012h-Schichten%20Symposium%20v07aa.pdf

Arlinghaus, Anna/Lombardi, David A./Willetts, Joanna L./Folkard, Simon/Christiani, David C. (2012): A Structural Equation Modeling Approach to Fatigue-related Risk Factors for Occupational Injury; in: American Journal of Epidemiology, Heft 176(7):597-607

Arlinghaus et al. (2018) "Gesundheitliche Effekte langer und flexibler Arbeitszeiten – Arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse und praktische Gestaltung", in Schönauer, Eichmann & Saupe (Hrsg.), Arbeitszeitlandschaften in Österreich: Praxis und Regulierung in heterogenen Erwerbsfeldern. Nomos, 376 Seiten https://www.nomos-shop.de/nomos/titel/arbeitszeitlandschaften-in-oesterreich-id-80079/

Dembe, Allard E./Erickson JB/Delbos RG/Banks, SM (2005): The impact of overtime and long work hours on occupational injuries and illnesses: new evidence from the United States; in: Occupational and Environmental Medicine, Heft 62(9):588–597

Fischer, Dorothee/Lombardi, David A./Folkard, Simon/Willetts, Joanna & Christiani, David (2017): Updating the “Risk Index”: A systematic review and meta-analysis of occupational injuries and work schedule characteristics, Chronobiology International, 34(10), 1423-1438. https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/07420528.2017.1367305?journalCode=icbi20

Geurts, Sabine/Sonnentag, Sabine (2006): Recovery as an explanatory mechanism in the relation between acute stress reactions and chronic health impairment; in: Scandinavian Journal of Work, Environment & Health, Heft 32, 482-492. http://dx.doi.org/10.5271/sjweh.1053

Spencer, Mick/Robertson, Karen/Folkard, Simon (2006): The development of a fatigue / risk index for shiftworkers. Health and Safety Executive Research Report 446

Wirtz, Anna (2010): Gesundheitliche und soziale Auswirkungen langer Arbeitszeiten, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Dortmund/Berlin/Dresden